Not so Kool’haas, Video, 9:35 Mins, 2022

In April 1959, the Soviet satellite Sputnik ll entered the Earth’s atmosphere and burned up over the Caribbean Ocean. By that moment, the dead body of the street dog Laika had already orbited the Earth 2570 times – as a peaceful, lifeless drifting warning.

Since then, tons of rockets, spacecraft, and measuring instruments have been launched into space without any plan for what to do with them at the end of their lives....

Over time explosions and collisions in space have created hundreds of thousands of shards of dangerous debris. Even millimeter-scale particles like paint chips can cause hazardous damages in an astronauts helmet. Their impact is comparable to a shot fired by a gun.

Not so Kool’haas interweaves the problem of space junk with ideas of contemporary urban planning, its etymological counterpart Junk Space. Architect and theorist Rem Koolhaas describes Junk Space as huge and full of absence, as cities of production and consumption growing to reach the climax of modernism, leaving the inhabitants no chance of escape.

The film addresses the history of domestication with a focus on examples presenting this process as a male act of creation. Doesn’t Laika’s propagandistic space travel document precisely such a patriarchal (and colonialist) approach? What attitude is so unifying behind modern architecture and the conquest of space?

This project was funded by Stiftung Kunstfonds, Neustart Kultur, 2. Auflage

Exhibition text about the body of work Not so Kool’haas at Galerie Bernau 2022

Text by Sophia Pietryga

KONZEPTE VON STADT

– über Lisa Marie Schmitts „Not so Kool’haas“

20. August- 1. Oktober 2022, GALERIE BERNAU

Weit über 300 Millionen Teile Weltraumschrott umkreisen uns im Orbit, einige dieser Teile könnten von der Kapsel der russischen Hündin Laika stammen, dem ersten Lebewesen im Weltraum. Dieser „Space-Junk“ ist in der Raumfahrt nicht zu vernachlässigen; ein Teilchen mit einem Gramm Gewicht erreicht in einem Zusammenstoß, beispielsweise mit dem Helm einer Astronautin, das energetische Äquivalent einer am Kopf abgeschossenen Pistolenkugel. Das nicht nur etymologische Pendant zum „Space-Junk“ im Weltall ist der vom Architekten Rem Koolhaas Anfang der 2000er geprägte Begriff „Junk-Space“, der die „Konsumtempel“ der Stadt von heute, die das Shopping immer und überall möglich machen, in kritischer Abgrenzung zu moderner Architektur beschreibt. „Space-Junk“ und „Junk-Space“ gemein ist ihr Ursprung in der Genese der westlichen Welt, dem auf kolonialen Ideen und Errungenschaften gebauten Kapitalismus, wie ihn schon Walter Benjamin ein Jahrhundert zuvor mit dem „Fetisch Ware“ (in Weiterentwicklung des Marxschen Begriffs) in seinem Passagen-Werk beschreibt. Lisa Marie Schmitts Werkgruppe „Not so Kool’haas“ (2021-22) verbindet die Begriffe „Space-Junk“ und „Junk-Space“: In ihrer gleichnamigen Videoarbeit (2022) erklärt ein Marionetten-Rem-Koolhaas einem Puppen-Hund seine urbanistische Theorie, die Erzählstimme ordnet seinen Vortrag gleich im Anschluss bewundernd-ironisch ein: „Architect, Starchitect, Arachnitect“. Die Serie „B.A.G.S.“ (2021) schließt an die assoziative Verbindung aus Architektur und Konsumverhalten an. Durch Titel und Form kommen sofort die sperrigen Einkaufskörbe aus Plastik in den Sinn, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts Attribut der klassischen Hausfrauen waren. Die Installation verfremdet dieses Produkt, allein durch den verwendeten Edelstahl und spätestens durch die Fragmentierung der Bauteile, ihre Verbiegung und Überdehnung, wird sie eindeutig in die Gegenwart geholt. Die komplexen Gitterstrukturen der vermeintlichen Taschen erinnern an die zeitgleich entstehenden Kuppeln Richard Buckminster Fullers, der als Vertreter einer „kosmischen Sichtweise“ vielleicht schon das Doppel „Space-Junk“/„Junk-Space“ ankündigt. Gleichzeitig verweisen sie auf die Bauästhetik der Industrialisierung um 1900, die Strukturen von Zechentürmen und Strommasten und schließlich die Fenster der Neo-Renaissance, ebenso wie die durch den Eisenbau erst möglich gewordene Passagen als Prototypen des „Junk-Space“. In „B.A.L.C.O.N.I.E.S.“ (2022), einer Serie die formal und inhaltlich an „B.A.G.S.“ anschließt, erwei-tert sich die Gedankenwelt Schmitts um Objekte, die an historistische Balkons angelehnt sind. Auch hier adaptiert sie einen Typus, der wie die Einkaufskörbe der 1960er Jahre, einen Zwischenzustand markieren: Im Historismus geht der Blick vom Balkon gleichzeitig in die Vergangenheit und die Zukunft, zur Terrasse als Repräsentationsaccessoire hin zum „Licht und Luft“ des späteren Bauhaus und tritt dabei gleichzeitig vom Privaten der Wohnung in die Öffentlichkeit der Straße. Im Ritt durch anderthalb Jahrhunderte Formenrepertoire zeigt Lisa Marie Schmitts „Not so Kool’haas“ deutlich die Komplexität, mit der sich heutige Städteplanung als Spiegel gesellschaftlicher Prozesse – im Weltall wie in unseren Städten – auseinandersetzen muss.